Alzey war erst viele Jahre später soweit. Damals brauchten Nachrichten und Informationen viele Tage, bis sie eine große Strecke zurückgelegt hatten.
Am 31. Oktober 1517 prangerte Martin Luther in einem Schreiben an die Bischöfe von Mainz und Magdeburg die Ablasspredigten eines Johann Tetzel an; seinen Briefen legte er 95 Thesen bei, die sich gegen den Ablasshandel richteten. Die Thesen wurden angeblich auch an der Wittenberger Schlosskirche angeschlagen und fanden schnelle Verbreitung sowie unerwartet starke Resonanz.
Dazu trug eine Erfindung bei, ohne die die Reformation nicht denkbar gewesen wäre: der Buchdruck von Johannes Gutenberg. Schnell wurden Luthers Thesen und gerade erfundene Flugblätter in ganz Deutschland verteilt, sicher auch in Alzey.
Luther wandte sich in seinen Thesen vor allem gegen die Praxis der Ablassbriefe, die von der damaligen Kirche verkauft wurden, um Menschen von Sünden freizusprechen und ihnen angeblich noch Strafen im Fegefeuer erlassen zu können.
Alzey gehörte damals zur Kurpfalz und die beiden Kurfürsten der Anfangszeit der Reformation, Ludwig V. und Friedrich II., hatten keine Meinung zu den Ereignissen in Wittenberg.
Schon 1518 wurde Luther nach Augsburg bestellt, wo er vor dem hohen Legaten des Vatikans Cajetan seine Thesen widerrufen sollte, was er verweigerte. Er musste zurück nach Wittenberg fliehen. Der dort regierende Kurfürst Friedrich der Weise verweigerte seine Auslieferung an Papst Leo X. in Rom.
Der erließ daraufhin eine Bulle mit dem Namen Exurge Domine, in der Luther der Bann angedroht wird. Es wurden Schriften von Luther verbrannt, der verbrannte daraufhin öffentlich in Wittenberg ein Exemplar der Bulle gegen ihn. Damit war in Deutschland die Reformation in vollem Gange.
1521 wurde Luther aufgefordert, sich nach Worms auf einen dort tagenden Reichstag zu begeben. Er brach am 2. April in Wittenberg auf und kam am 16. April dort an, unterwegs wurde er überall von einfachen Menschen bejubelt. Er trat gut vorbereitet und geschickt vor dem Kaiser Karl V. auf, ohne seine Meinung zu ändern, bekam 21 Tage freies Geleit, bis er ein sogenannter Vogelfreier wurde. Am 25. April reiste er ab und am 5. Mai wurde er unterwegs zum Schein von Leuten des Kurfürsten Friedrich der Weise entführt und auf der Wartburg versteckt. Bekanntermaßen übersetzt er dort das Neue Testament in einem Stück ins Deutsche.
Die Ereignisse in Worms wurden auch in Alzey schnell bekannt, ohne dass sich in der Stadt allzu viel geändert hätte: fast alles blieb beim Alten bis zum April des Jahres 1556: da beschloss der regierende Kurfürst Ottheinrich in einer Kirchenordnung, dass sein Land Kurpfalz und alle seine Untertanen ab sofort lutherisch sein sollten.
Allerdings gab es zu jener Zeit auch ähnliche Widerstände gegen die katholische Kirche und den Kaiser in vielen anderen deutschsprachigen Gegenden, etwa in Straßburg, in Zürich, in Süddeutschland, sogar in Genf und Schweden.
In Alzey wissen wir von zwei Theologen, die sich früh zur Reformation bekannten. Einer hieß Thomas Rhynerus, er arbeitete hier von 1518 bis 1526 und hat in dieser Zeit geheiratet, was seine Haltung deutlich machte. Der andere hatte den Namen Jakob Albich und arbeitete in der Nikolaikirche an einem ihrer Altäre als Altarist. 1534 wurde er evangelisch und deswegen entlassen.
1526 kamen Täufer nach Worms, wo sie viel Aufmerksamkeit fanden. Nachdem sie dort Redeverbot in den Kirchen bekamen, begaben sie sich nach Alzey, wo 1527 im Schloss ein Prozess im Namen des Kurfürsten und des Mainzer Bischofs geführt wurde. Neun von ihnen schworen ihrem Glauben ab und wurden freigesprochen, elf mit einem Kirchenbann belegt. Aber die Bewegung breitete sich in Alzey aus. 1528 wurden wieder Täufer verhaftet. Neun Männer wurden geköpft, fünf Frauen in der „Rossschwemme“ ertränkt, andere gefoltert und verstümmelt. Zu einer richtigen Änderung der Glaubensrichtung kam es zu dieser Zeit noch nicht.